Am Anfang der Diskussion stellte Moderator Marc Burgemeister gleich die Systemfrage – duales System wie bisher oder Einführung einer Bürgerversicherung? Während SPD, Linke und die Grünen die Einführung einer Bürgerversicherung favorisieren und dabei einer aktuellen Infratest-dimap-Umfrage zufolge eine Mehrheit von 69 Prozent der Deutschen hinter sich wissen, wollen AfD, CDU und FDP das duale System erhalten bzw. modernisieren. Tino Sorge (CDU) hält nichts von einer Vereinheitlichung. „Wir fahren sehr gut mit dem dualen System und und sollten erst schauen, was wir hier noch verbessern können“, so Sorge. Im weltweiten Vergleich sehe man, dass rein staatliche oder rein private Systeme nicht gut funktionieren. Dr. Heide Richter-Airijoki (SPD) pflichtete ihm bei, dass das deutsche Gesundheitssystem sehr stark sei. Der SPD gehe es auch nicht darum, die PKV per Dekret abzuschaffen, wohl aber sehe man eine Zwei-Klassen-Medizin und wolle diese fairer gestalten. Den Grünen geht es darum, dass das Gesundheitssystem solidarisch getragen werden soll. „Die wirtschaftlich Starken beteiligen sich nicht im gleichen Maße an den Kosten. Das muss anders werden“, forderte Susan Sziborra-Seidlitz. Die junge Liberale Denise Köcke sagte, jeder solle bei der Krankenversicherung die Wahlfreiheit haben, vor allem junge Leute. Der Wettbewerb zwischen GKV und PKV steigert aus ihrer Sicht auch die Qualität, was auch die GKV stärke. Köcke würde eher mit Anreizen wie Beitragsrückerstattungen und Selbstbehalten arbeiten, um das System zu entlasten. Hier kam ein Veto von Chris Scheunchen: Er kritisierte, dass nicht alle Bürgerinnen und Bürger Zugang zu privat zu zahlenden Gesundheitsdienstleistungen haben. Wenn diejenigen mit hohem Einkommen beteiligt würden, sei auch wieder mehr Geld im System, so der Linken-Politiker. Ulrich Siegmund, AfD-Gesundheitspolitiker, brach eine Lanze für das bestehende duale System. Es habe jahrzehntelang gut funktioniert. Das deutsche Gesundheitssystem krankt aus seiner Sicht eher an einer Überzahl von Krankenkassen und vor allem an den Folgen des demografischen Wandels mit entsprechenden Auswirkungen auf Patienten und deren Leiden sowie die Arbeit der Heilberufler. „Wir müssen die Bedarfsplanung entsprechend anpassen“, forderte Siegmund.
Wenn man (niedergelassene) Heilberufler derzeit fragt, was sie am Beruf am meisten stört, sind das wohl die überbordende Bürokratie und die Einführung der Telematikinfrastruktur, die bisher nur Kosten und Aufwand verursache, aber kaum Nutzen zeitige, so Moderator Burgemeister. Er wollte von den Diskussionsteilnehmern wissen, wie sie hier Abhilfe schaffen wollen und fragte zuerst Susan Sziborra-Seidlitz. Alle sagen, Digitalisierung ist wichtig, dann höre es aber schon auf, so die gelernte Krankenschwester, die lebhaft aus der Krankenhausarbeit über den nötigen Mehraufwand berichten konnte. Sie würde ein Landeszentrum einrichten, um das Thema voranzubringen. Tino Sorge (CDU) verteidigte vehement das Vorgehen seines Parteikollegen Jens Spahn, darunter die Übernahme der Mehrheitsanteile an der gematik durch das BMG. Seit 2003 diskutiere man über das Thema und er wisse um die Belastung der Heilberufler, aber es ging nichts voran. Sorge übte vielmehr scharfe Kritik am Bundesbeauftragten für den Datenschutz, Ulrich Kelber. Man brauche keinen Datenschutz-Ajatollah, so Sorge. Dr. Heide Richter-Airijoki verteidigte ihren Parteigenossen Kelber. Der Datenschutz sei wichtig, sagte sie. Scharfe Kritik an den beiden Vorrednern übte Ulrich Siegmund (AfD): „Wer hat denn hier die letzten Jahre regiert?“, fragte er mit Blick auf die Belastung der Heilberufe. Während man in Sachsen-Anhalt weder überall telefonieren könne noch schnelles Internet habe, werde hier der dritte Schritt vor dem ersten gemacht. Denise Köcke (FDP) pflichtete bei, das Internet sei hierzulande „grottenschlecht“ – ein Thema, das ihre Partei im Land angehen will. Sie wolle keinen gläsernen Patienten, aber Daten retteten auch Leben, sagte sie mit Blick auf den Datenschutz. Als Altmärker konnte auch Chris Scheunchen (Die Linke) ein Lied davon singen, dass die technischen Rahmenbedingungen für die Digitalisierung noch nicht vorhanden sind. Hier müsse sich zuerst etwas tun, das sei auch wichtig für das Land als Wirtschaftsstandort.
Der dritte Themenkomplex beschäftigte sich mit dem wohl dringendsten Problem der Zahnärzteschaft auf Landesebene – der Sicherung der Versorgung, wo die KZV zuletzt dramatische Hochrechnungen vorgestellt hatte (zn 5 / 2021, S. 9). Dr. Heide Richter-Airijoki (SPD), kündigte an, man wolle zusätzliche Studienplätze einrichten. Tino Sorge, vom Moderator auf die sich ausbreitenden i-MVZ angesprochen, sagte, es gehe nicht, dass diese Vorteile haben, die Praxen nicht haben. Er sei angesichts des neuen Berufsverständnisses der Heilberufler aber auch offen für neue Versorgungsformen. Ulrich Siegmund sprach von einer „tickende Zeitbombe“. Das Land sollte dringend mehr Mediziner ausbilden und gleichzeitig mehr Absolventen im Land halten. Chris Scheunchen schlug vor, Niederlassungswilligen auf dem Land die Praxis-Infrastruktur bereitzustellen. Denise Köcke hielt ein Plädoyer für die Niederlassungsfreiheit und würde jungen Heilberuflern durch Stipendien lieber positive Anreize geben. Nicht jedes Dorf werde künftig einen Arzt haben können, betonte sie. Pfleger oder MTA könnten Heilberufler entlasten, schlug Susan Sziborra-Seidlitz vor. Es gelte, neue Versorgungsformen und finden und die sektorübergreifende Zusammenarbeit zu fördern.